Kultur- und Literatursoziologie

Die deutsche Tradition der Kultursoziologie wird international rezipiert und gegenwärtig auf vielfältige Weise weitergeführt. Der Bereich der Literatur ist bisher allerdings weniger intensiv soziologisch erforscht worden als andere künstlerische Formen und kulturelle Felder. Am KWI soll in den nächsten Jahren versucht werden, diese Lücke zu schließen. Dazu besteht ausreichend Anlass: Das Literatursystem und der Literaturbetrieb sind einem folgenreichen Strukturwandel unterworfen – neue Formate, Medien und Gattungen relativieren ästhetische Standards; neue Akteure wie z.B. Agenten und Blogger*innen verschieben professionelle Leitbilder und ihre Rollen. Über Leserschwund und mangelnde Wertschätzung für ‚das gute Buch’ wird ohnehin in regelmäßigen Abständen geklagt. In dieser Lage wollen wir kulturkritische und technik-euphorische Diagnosen hinterfragen und zu genaueren Analysen beitragen. Dazu müssen Vertreter*innen unterschiedlicher Fächer zusammenkommen: Das gegenwärtige Leseverhalten und seine Geschichte kann z.B. nur präzise beschrieben werden, wenn es gelänge, kognitionspsychologische, philologische, kultursoziologische und kulturökonomische Expertisen zusammen zu führen. Ein besonderes Augenmerk wird auf der Aufgabe liegen, literarische Texte nicht allein als „black box“ in größeren Handlungs-, Verwertungs- und Distinktionszusammenhängen zu betrachten. Es gilt vielmehr, diese Ausdrucksformen so zu beschreiben, dass sie auch für sozialwissenschaftliche Forschung zu attraktiven Dokumenten, Wissensspeichern und Sinnzusammenhängen werden. Gleichzeitig ist danach zu fragen, wie in den Sozialwissenschaften und insbesondere in der Soziologie literarische Quellen, Motive, Strategien und Traditionen wissenschaftlich genutzt werden bzw. genutzt werden könnten. Ein besonderes Augenmerk unserer Arbeit wird auf der Entwicklung interdisziplinär einsetzbarer Methoden und damit auch auf dem In- und Export literaturwissenschaftlicher Terminologie liegen.

Kontakt:
Prof. Dr. Julika Griem

Aktuelles

Judith Hermann liest in der Kreuzeskirche

Judith Hermann liest in der Kreuzeskirche

„Ich schreibe über mich. Ich schreibe am eigenen Leben entlang, ein anderes Schreiben kenne ich nicht“ – so Judith Hermann in ihrem aktuellen Buch „Wir hätten uns alles gesagt“ (S. Fischer 2023). Zum Auftakt ihrer Herbst-Lesereise war die Schriftstellerin am 21. September zu Gast in Essen. In der gut besuchten Kreuzeskirche sprach sie unter der […]

Out Now: Narcotic Cities. Counter-Cartographies of Drugs and Spaces

Out Now: Narcotic Cities. Counter-Cartographies of Drugs and Spaces

„Drugs are fascinating—not only because of their effects on mind and body, but also because of our ideas and conceptions of them.“ (From the introduction to „Narcotic Cities“, Jovis 2023) With essays from more than 40 authors, the new anthology Narcotic Cities. Counter-Cartographies of Drugs and Spaces (JOVIS Verlag) explores the complex network of drugs, […]

Das Gespenst in der Maschine: Zu Autorschaft & ChatGPT

Das Gespenst in der Maschine: Zu Autorschaft & ChatGPT

Am 6.7.23 hatte das Kulturwissenschaftliche Institut Essen (KWI) den Philosophen David Lauer (Christian-Albrechts-Universität zu Kiel) zu Gast, der einen Vortrag über „Mehr oder weniger Autorschaft. Postauktoriales Schreiben, Denken und Gestalten in Zeiten von ChatGPT 3 und Stable Diffusion“ hielt. Nach einer Begrüßung durch die Moderatorin des Abends, Mona Leinung (KWI), die ebenfalls mithilfe von ChatGPT […]

Genug gelacht? Ein Abend zur Dosierung von Komik

Genug gelacht? Ein Abend zur Dosierung von Komik

Am 20. Juni diskutierten Felicitas Hoppe, Julika Griem und Roxanne Phillips anhand verschiedenster Beispiele von der Stummfilmära bis in die Gegenwart über Funktionsweisen und Wirkungen verbaler und nonverbaler Komik. Hoppe, die nicht nur mit dem Büchnerpreis ausgezeichnet wurde, sondern auch Trägerin des Kasseler Literaturpreises für Grotesken Humor ist, las u.a. eine kleine Hommage an Buster […]

CFP: Netzwerk ‚Das Komische als Kulturwissenschaft‘

CFP: Netzwerk ‚Das Komische als Kulturwissenschaft‘

Für ein geplantes DFG-Netzwerk, das Komik als eigenständige kulturelle Praxis begreift, sich unter Berücksichtigung des historischen und medialen Wandels mit ihren Formen, Konfigurationen und Verfahren, ihren Wirkungen und Funktionen, ihren Extremen, Grenzen und blinden Flecken auseinandersetzt, werden Projekte aus den Geistes- und Sozialwissenschaften gesucht. Von Spottgedichten und scherzhaften Drucken über Lustspiele und Vaudevilles bis zu […]

Buchvorstellung „Canceln. Ein Notwendiger Streit“

Buchvorstellung „Canceln. Ein Notwendiger Streit“

Über die Cancel Culture Debatte und ihre Auswirkungen auf den Literatur- und Übersetzungsmarkt, Lektüren an Schulen, Universitäten und die Praxis wissenschaftlichen Arbeitens sprachen am 23. Mai Hanna Engelmeier, Florian Kessler, Mithu Sanyal und Daniela Strigl. Anlass war die Neuerscheinung „Canceln. Ein notwendiger Streit“ (Hanser), in der die Panelist*innen mit Beiträgen vertreten sind. Wie im Buch […]