Forschungsprojekte der Forschergruppe Visuelle Soziologie

Dokumente – Erinnerungen – Geschichtsschreibung. Der zweite Theresienstadt-film, seine Dokumentation und seine Rekonstruktion aus der Perspektive der Überlebenden (KWI)


Stile des Lebens 2.0 ­– Zur Genese und Struktur querläufiger Vergesellschaftung (KWI)


Social Displays. On the Accountability of Embodied Digital Technologies in Everyday Life

Projekt im Forschungsverbund “Hybrid Societies”, DFG 2020-2023, SFB 1410, Teilprojekt D04

Leitung: Prof. Dr. Michael R. Müller

Summary:

The project investigates the communicative integration of embodied digital technologies (EDTs) such as driverless cars or artificial companions into the social world’s routines of action and cooperation. The micro-sociological hypothesis of the project is that a reliable cooperation of humans and EDTs, in which EDTs have to decide and act autonomously to some degree, presumes the human cooperation partners to be informed clearly about the EDTs’ alignment in the situation and the EDTs’ overall accountability. In its empirical design, the envisaged research project therefore aims to analyze different anthropomorphic, zoomorphic, fictional, and purely functional displays used in the development of EDTs to inform human cooperation partners about an EDT’s specific cooperative features and capabilities. The project systematically asks about the (meta-)communicative constitution of accountability seeking to reconstruct different social types and taxonomies of (non-human) accountable others. In the course of highly contrasting single case studies, a formal theory on EDTs’ social displays of accountability will be developed. As part of a joint work-package (D04/E02) the project also makes the EDTs’ performance of social responsibility a subject of research.


Sehordnungen. Die Rationalität immersiven und explorativen Bildgebrauchs am Beispiel von Stereoskopie und Bildcluster/Hyperimage

Gefördert durch die Fritz Thyssen Stiftung, TU Chemnitz (2018-2020).

Leitung: Prof. Dr. Michael R. Müller

Die Vielgestalt der Seherfahrungen, die historische und gegenwärtige Bildmedientechniken ihren Zeitgenossen ermöglichen, und die Vielzahl der resultierenden gesellschaftlichen Bildpraktiken ziehen die grundlagentheoretische Frage nach den „kognitiven Möglichkeiten des Bildes“ (Boehm) nach sich. Im Rahmen des Projektes werden diese Möglichkeiten nicht im engeren Fokus auf die immanente Ordnung von Bildern untersucht, sondern in einem weiteren Fokus auf den Aufbau und die Funktionsweise soziokultureller Sehordnungen. Anhand kontrastiv ausgewählter Fallbeispiele u.a. zum wissenschaftlichen, didaktischen und biographischen Gebrauch von Bildtechniken der Stereoskopie (immersives Sehen) und des Bildclusters/Hyperimages (exploratives Sehen) werden die Abhängigkeit bildbezogener „Erlebnis- bzw. Erkenntnisstile“ (Schütz) von jeweiligen Bildmedientechniken und Wissenshintergründen (Sehordnungen) rekonstruiert. Der für die Projektanlage grundlegende theoretische Rahmen ergibt sich aus einer Reihe aufeinander aufbauender philosophisch-anthropologischer, phänomenologischer, bildwissenschaftlicher, medientheoretischer und wissenssoziologischer Grundannahmen. U.a. mit M. Imdahl gehen wir davon aus, dass Bilder nicht nur Gegenstände des Sehens sind, sondern zugleich auch eine „Organisationsform“ desselben; mit L. Fleck und E. Goffman gehen wir ferner davon aus, dass die situative Bezugnahme auf ein Bild immer auch durch transsituative Wissensbestände, Handlungsroutinen und Regelwerke gerahmt wird. ‚Sehordnung’ meint in diesem Sinne die Gesamtheit und das Zusammenspiel jeweiliger Bilddarstellungen, ihrer medialen Beschaffenheit bzw. medialen Umgebung (Displays, Optiken, Räume) sowie diejenigen Wissensbestände, Handlungsroutinen und Regelwerke, die den Gebrauch der jeweiligen Bildmedientechniken strukturieren. Im Rahmen der empirischen Analyse maximal kontrastiv ausgewählter Fallbeispiele wird dementsprechend untersucht, welche Formen der kognitiven Bezugnahme auf jeweilige Bilddarstellungen durch die entsprechenden immersiven und explorativen Bildtechniken und Medienkulturen möglich bzw. strukturell prädiziert werden. Analytische Dimensionen sind hierbei u.a. die je spezifische Form der Spontaneität, der Epoché, der Zeitlichkeit und der Sozialität. Das Sample der Fallbeispiele ist insgesamt so angelegt, dass ein möglichst breites Spektrum derjenigen kognitiven Möglichkeiten kenntlich wird, die sich aus den immersiven und explorativen Bildmedientechniken der Stereoskopie und des Bildclusters ergeben und die den Gebrauch dieser Bildmedientechniken in unterschiedlichsten Handlungszusammenhängen – sozial- bzw. kulturwissenschaftlich gesehen – rational werden lassen. In seiner theoretischen und empirischen Anlage leistet das Projekt insgesamt einen empirisch fundierten Beitrag zum theoretischen Verständnis der gesellschaftlichen Ausdifferenzierung und der Rationalität bildmedialer Sehordnungen – mithin zur Weiterentwicklung des „ikonischen Erkenntnismodells“ (Fritz Thyssen Stiftung).


Visuelle Biographien in vernetzten Lebenswelten (VIS_BIO)

Gefördert durch den Jubiläumsfonds der Stadt Wien für die Österr. Akademie der Wissenschaften (ÖAW) (2017-2018)
Leitung: Prof. Dr. Roswitha Breckner

Mit der Entstehung und Verbreitung neuer Kommunikationstechnologien entwickeln sich insbesondere in Social Media neue Kommunikationsformen – diese sind von einem intensiven Gebrauch von Bildern bestimmt. Das Projekt VIS_BIO fragt danach, inwiefern neue vernetzte, visuelle Kommunikationsformen auch mit Verschiebungen in biographischen Konstruktionsprozessen einhergehen: Leben ‚alte‘ Bedeutungen der bild-biographischen Konstruktion in Sozialen Medien in anderer Weise fort? Oder haben wir es mit einem grundlegenden Wandel zu tun, der die herkömmlichen Praktiken hinter sich lässt? Welche Zusammenhänge lassen sich zwischen visuellen und sprachlichen Darstellungsweisen ausmachen? Und sind biographische Gestaltungspraktiken in Sozialen Medien gegenüber herkömmlichen sprachlich-narrativen wie bildlichen Konstruktionsprozessen von Biographien unterschiedlich oder ähnlich? Ausgangspunkt der Analyse sind Facebook-Profile und biographisch-narrative Interviews ausgewählter Personen sowie kurzzeitigen ethnographische Beobachtungen zum online und offline Mediengebrauch.  Ziel ist es, die Datenbasis einer Langzeitstudie zu legen, um Veränderungen in den Kommunikationspraktiken und ihre Auswirkungen auf soziale Ordnungsschemata wie die Form der Biographie mittel- und langfristig zu erfassen.


Das Selbstbild in der Bilderwelt. Zur Soziologie der Person und ihrer Figuration in bildmedialen Beobachtungs- und Bewährungsanordnungen

Gefördert durch die DFG, TU Dortmund und KWI Essen  (2011-2015)

Leitung: Prof. Dr. Michael R. Müller und Prof. Dr. Hans-Georg Soeffner

Das Projekt untersucht gesellschaftlich neuartige, durch bild- und medientechnische Entwicklungen geprägte Formen personaler Selbstthematisierung. Theoretisch-konzeptionell stützt es sich auf einen philosophisch-anthropologischen Begriff der sozialen Person, aus dem sich die Möglichkeit einer komparativen soziologischen Forschungsheuristik ergibt: Empirisch unterschiedliche Formen der Thematisierung der je eigenen Person (sprachlich-diskursive Formen ebenso wie körperlich-bildhafte und technisch mediatisierte) treten als soziohistorische Modifikationen der anthropologischen Grundstruktur von Personalität in den Blick. Das empirisch-rekonstruktive Arbeitsprogramm des Projekts beinhaltet dementsprechend erstens Feldforschungen und Bilddatenauswertungen zu neuen, zeitgenössischen Formen bildmedialer Selbstthematisierung sowie zweitens die Durchführung methodisch gezielter Kontrastierungen mit historischen Vorformen personalen Bildmediengebrauchs seit der Renaissance. Die Forschungsziele des Projektes strukturieren sich insgesamt wie folgt: In hermeneutischrekonstruktiver Perspektive untersucht es die interaktions- wie auch subjekttheoretisch komplexe Formierung optischvisueller Beobachtungs und Bewährungsanordnungen, die – so die Hypothese – statt medialer »Simulacren« ein konstitutiver Bestandteil des sozialen Alltags geworden sind. In modernisierungstheoretischer Perspektive zielt das Projekt auf eine ›bedingte Prognostik‹ zu neuen Ausprägungen gesellschaftlicher Individualisierungsprozesse. In grundlagentheoretischer Orientierung wird schließlich eine mediensoziologisch fundierte Reformulierung des Begriffs der sozialen Person angestrebt.