Bitte beachten Sie: Aufgrund von zwei krankheitsbedingten Absagen muss die Veranstaltung leider ins Wintersemester verschoben werden. Den neuen Termin geben wir rechtzeitig über die Homepage, den Newsletter und die Social Media Kanäle des KWI bekannt. Wir danken für Ihr Verständnis und entschuldigen uns für die Unannehmlichkeiten.
Eine Podiumsdiskussion im Rahmen des Jahresthemas „Mehr oder Weniger“.
Not, so will es der Volksmund, macht erfinderisch. Aber was macht die Aussicht auf Mangel mit modernen Massengesellschaften, in denen sich mit dem Versprechen von wachsendem Wohlstand lange Zeit selbst tiefe soziale Risse kitten ließen? Sie treibt seltsame Blüten: halbleere Regale während der Lockdowns, lange Wartezeiten für Baumaterialien, inflationäre Kostenschübe bei zahlreichen Grundgütern – es sind Alltagserfahrungen, die sich zu einem Gefühl kollektiver Verunsicherung verdichten. Eine Zukunftsangst greift um sich, die sich nicht länger ausschließlich auf Schocks wie die Pandemie, den russischen Überfall auf die Ukraine und unterbrochene Lieferketten zurückführen lässt. Dass mehr und mehr Menschen im ökologischen Haushalt der Erde über ihre Verhältnisse leben, ist nicht erst seit gestern bekannt. Stellt sich nur eine, dafür aber entscheidende Frage: Was tun?
Immer öfter werden Stimmen laut, die für eine Selbstbeschränkung menschlicher Bedürfnisse im Dienste des planetaren Gleichgewichtes plädieren. Preist man die ökologischen Kollateralschäden in die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung der Gattung Mensch ein, ändert die Knappheit im Kalkül der globalen Ökonomie ihr Vorzeichen: Sie erscheint nicht so sehr als ein Symptom akuten Mangels, der zu überwinden ist, sondern vielmehr als eine strukturelle Grundtatsache des Anthropozäns, die zu berücksichtigen Ausweis politischer Klugheit ist.
Knappheit ist folglich nicht allein ein Manko, sondern Arbeitsgrundlage. So herrscht an Vorschlägen, wie die Verteilung der Knappheit zukünftig organisiert werden soll, kein Mangel. Sie reichen von Ideen eines Green New Deal und Smart Growth bis hin zu Postwachstumsökonomien oder Forderungen von Vergesellschaftung und „Commonismus“.
Dieser herausfordernden Gemengelage wollen wir am Kulturwissenschaftlichen Institut Essen im Rahmen einer Podiumsdiskussion aus historischer, ökonomischer und politischer Perspektive auf den Grund gehen.
Teilnehmer
Anna Echterhölter ist Professorin für Geschichte der Neuzeit und Wissenschaftsgeschichte an der Universität Wien. Sie ist Koautorin von Jenseits des Geldes. Aporien der Rationierung (2019).
Ralf Fücks ist Gründer und geschäftsführender Gesellschafter des Berliner Thinktanks Zentrum Liberale Moderne. Er ist Autor von Intelligent Wachsen. Die grüne Revolution (2013) und Mitherausgeber des Sammelbandes Soziale Marktwirtschaft ökologisch erneuern (2019).
Lisa Herzog ist Professorin am Centre for Philosophy, Politics and Economics der Universität Groningen. 2020 erschien Die Erfindung des Marktes. Smith, Hegel und die Politische Philosophie. Ihre Forschungsarbeit wurde 2021 mit dem Hans-Böckler-Preis der Stadt Köln und 2022 mit dem Schader-Preis für Gesellschaftswissenschaften prämiert.
Matthias Schmelzer ist Soziologe an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Zu seinen zahlreichen einschlägigen Publikationen zum Thema zählen The Hegemony of Growth. The OECD and the Making of the Economic Growth Paradigm (2016) sowie Degrowth/Postwachstum zur Einführung (2019).