Auf Deutsch – Please note that this meeting of the ColloKWIum will be in German
‚Diversität‘ ‒ ein Wort, das nach den Enzyklopädien des 19. Jahrhunderts nichts als „Verschiedenheit“ meint, ‒ ist eines der mächtigsten Schlagworte der Gegenwart. Es bezeichnet einen Wert und verbindet sich mit politischen Forderungen nach Teilhabe und Repräsentation traditionell ausgegrenzter Gruppen. Wie ‚Gleichheit‘ ‒ die zugleich eine der semantischen Oppositionen von ‚Diversität‘ und eine ihrer wichtigsten pragmatisch-juridischen Bundesgenossen ist – fungiert ‚Diversität‘ als ein politisch operativer Begriff, der zwar Differenzen betont, aber auf politisch-soziale Konstitution zielt: So wie sich früher (von der Antike über die Französische Revolution bis ins Grundgesetz) das Gemeinwesen über die kontrafaktische, aber juridische Realitäten schaffende Annahme konstituierte, alle seien gleich, beginnt nun unsere (gruppenweise) Verschiedenheit zu einem zentralen Konstitutionselement der Gemeinschaft(en) zu werden. Der Vortrag macht sich auf die Suche nach der genauen Bedeutung von ‚Diversität‘, die trotz der großen Konjunktur des Begriffs in der Gegenwart überraschend unklar ist, und versucht einigen der Traditionslinien nachzuspüren, die für ihn von besonderer Relevanz sind. Diese Untersuchungen führen in den Liberalismus des 19. Jahrhunderts, den enthierarchisierenden Historismus und Positivismus, das Variationsdenken Darwins, die nostalgische Wertschätzung von Vielfalt im Kontext des frühen Naturschutzes um 1900, dessen Rezeption in der Ökologie und Kybernetik Mitte des 20. Jahrhunderts, zu den Identitätspolitiken seit den 1970er Jahren, zum notorisch gewordenen Diversity Management und zu einigem mehr – und dann zu der Frage, wie das alles in dem einen Begriff der Diversität konvergieren konnte und welche Umwälzungen daran möglicherweise noch hängen.
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The ColloKWIum provides a platform to present and discuss ongoing as well as emerging research projects. In addition to addressing projects within KWI – including the work of our new fellows – it is open to guest lectures that tie in with the institute’s research agenda.