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Pferdemädchen sind bis heute vor allem Teil einer abgewerteten Populär- und Konsumkultur und werden nicht als eigene Jugendsubkultur wahrgenommen. Es ist jedoch ein Trend zu erkennen, der einen neuen Blick auf diese Form der oft klischeehaft gedeuteten Mensch-Tier-Beziehung wirft. Pferdemädchen finden zunehmend Aufmerksamkeit in der Hochkultur: „A little girls’s horse craze“[1] ist in der Kulturgeschichte angekommen.
Die Kulturanthropologin Anja Schwanhäußer beschäftigt sich im Rahmen eines DFG-Forschungsprojekts mit der Figur des Pferdemädchens als Teil der Jugendkultur und untersucht kulturanalytisch das konventionell weibliche Stereotyp des pferdeverrückten Teenagers: Ist das Soziotop Reiterhof ein Sinnbild für die Frage nach dem sozialen Miteinander, sozialer Verantwortung und sich wandelnder Geschlechterbeziehungen? Werden Pferdemädchen nicht länger als apolitisch und konservativ wahrgenommen, wenn Frauen wie Brianna Noble mit ihrem Pferd Dapper Dan gegen die Polizeigewalt in Oakland demonstrieren, das Pferd somit als Teil der politischen Haltung inszeniert wird?
Jenny Friedrich-Freksa, Chefredakteurin der Zeitschrift „Kulturaustausch“ in Berlin und Autorin des Buchs „Pferde“, ergründet die Faszination, die Pferde auf Menschen ausüben und warum die früher männlich besetzte Reiterei heute vor allem weiblich konnotiert ist. Sie plädiert aber vor allem für ein Nachdenken über die kostbare Beziehung zwischen Mensch, Tier und Natur. Pferde erfahren in den letzten Jahren eine wachsende Aufmerksamkeit: Weg von der Nutzung als Fortbewegungsmittel, Arbeitstier und Prestigeobjekt werden ihnen neue kulturelle Funktionen zugeschrieben. Therapie, Coaching, Selbsterfahrung oder Naturerlebnis, all dies wird mit Pferden — ähnlich wie mit Hunden und Delphinen — heute jenseits des Profisports verbunden. Auf der anderen Seite steht ein gestiegenes Bewusstsein für eine artgemäßere Haltung und Führung der Pferde.
Mit der Diskussionsrunde ‚Das Phänomen „Pferdemädchen“- Zwischen Klischees und Jugendkultur‘ beginnt die Vortragsreihe im Begleitprogramm der Ausstellung „Boten, Helfer und Gefährten – Beziehungen von Mensch und Tier im Wandel“ des LWL-Industriemuseums Zeche Hannover in Bochum. Die Ausstellung ist im Verbund des Arbeitskreises „Mensch und Tier im Ruhrgebiet“ entstanden.
[1] Freud, Anna, Normality and Pathology in Childhood: Assessments of Development, NY 1989, S.20