Kein Mensch ist ortlos. Dieser Ort ist Teil eines Raumes, der nie bloß ein geographischer Raum ist. Er ist vielmehr zuerst und zunächst ein Kommunikations- und ein Handlungsraum. Ein solcher Kommunikations- und Handlungsraum bildet einen Ort – und nichts spricht dagegen, dass wir diesen Ort mit dem komplizierten und belasteten Wort ‚Heimat‘ benennen, ein Ort, an dem Menschen in Geschichten und symbolische Ereignisse verstrickt sind. So unübersetzbar diese Verstrickungen in andere Sprachen und in andere Orte sind, so sehr fordert und verlangt die Begegnung mit dem Fremden eine Neuorientierung. Erst die Entdeckung einer fremden Welt lässt mich die Sprache und den Ort meiner Heimwelt verstehen. Die Differenzen zwischen Eigenem und Fremdem sind verantwortlich dafür, dass ich mich – wie Heidegger sagt – in der Sprache auf dem ‚Heimweg‘ befinde. In der Begegnung mit dem Fremden und Unvertrauten treffe ich auf eine Welt, die mich erst mit einer gewissen Nachträglichkeit auf meine sprachliche und räumliche Heimat stoßen lässt. Erst in der Krise des Entzugs, d.h. der Heimatlosigkeit, wird die Heimat zu jenem Sehnsuchtsort, zu dem sie immer wieder verklärt worden ist.
(Text: Alfred Hirsch)
Prof. Dr. Alfred Hirsch, lehrt Philosophie an der Universität Witten-Herdecke. Studium der Philosophie, Germanistik und Politikwissenschaft in Münster, Hamburg, Paris und Bochum. Forschungsstipendiat an der New York State University. Lehrte an der Université Paris Sorbonne/IV, der Universität Hildesheim und der Universität Duisburg-Essen.