Auf den unzähligen Bewertungsskalen der digitalen Welt kann das quantifizierte Selbst der Mittelmäßigkeit kaum mehr entrinnen. Einerseits vermittelt es Normalität und Gesundheit im Mittel zu liegen. Andererseits aber zählten fast überall nur mehr die 1., 2. und 3. Plätze, wie sie die Ordinalskala mit ihrer Information über Rangfolge und Hierarchie erzeugt. Aber wie entsteht dieses Bewertungsdispositiv, wann wird diese Lesegewohnheit erlernt und wie ist die metrische Sphäre Schritt für Schritt zur allgemeinen Handlungsumgebung geworden?
Der Vortrag geht wichtigen Abschnitten in der Biographie einer Messskala wissenschaftsgeschichtlich nach. Um die Temperatur wurde beispielsweise lange gestritten, bis aus der intensiven Größe Wärme eine stabil benennbare Quantität auf einer global verbreiteten Skala geworden war. Für die Farbskala gelang dies nie im selben Ausmaß. Mittelmäßigkeit ist hier bedeutungslos, ebenso kann niemand die mittlere Position auf einer Gefahrenskala wünschen, etwa der Turiner Skala für das Einschlagen von Kometen, diverse Erdbebenskalen oder die Glasgow Coma Scale.
Die Verknüpfung von Skalen zur Leistungsmessung kündigt sich dort an, wo der Blick auf Gesellschaften quantitativ wird: Der belgische Astronom und Statistiker Adolphe Quetelet entwickelt eine soziale Physik, in der der homme moyenne, der mittlere Mensch, beschrieben wird. Da seine Skalen nicht nur ideale Körper, sondern auch kriminelle Devianz abzubilden versprechen, wird ein normatives Element zum unausweichlichen Effekt der Wahrnehmung von leistungsbezogenen Statistiken. Mit einer entschiedenen Kritikerin der Ordinalskala, der Afrikanistin Jane Guyer, werden außereuropäische Verhältnisse zum Vergleich herangezogen.