Winfried Schulzes Vortrag „Die Verdrängung. Der Weg eines deutschen Juristen von Auschwitz nach Goslar“ bot den Zuhörer*innen am 18. Oktober einen Einblick in die Monografie, an der der Historiker gerade arbeitet. Schulze befasst sich darin mit der verwickelten Lebensgeschichte von Helmut Schneider, der 1941-1945 leitender Angestellter im Personalbereich der IG-Farben war. Seine Rolle als Mittäter im System der Zwangsarbeit von KZ-Häftlingen in Auschwitz konnte Schneider nach dem Kriegsende auch deswegen verdrängen, weil er sich in der NS-Zeit zugleich für eine Gruppe französischer Zwangsarbeiter und Unterstützer der Résistance einsetzte.
Schulzes Arbeit an dem Buch kam durch einen zufälligen Kontakt zur Familie Helmut Schneiders zustande. Der Historiker erhielt Zugang zu privaten Dokumenten wie Tagebuchnotizen, die den Eindruck eines „scheinbar normalen Lebens“ als Oberstadtdirektor von Goslar erwecken, dabei jedoch mehr noch als von „Zweifel und Skepsis“ bis in die Nachkriegszeit vor allem von einer „elitären Selbstwahrnehmung“ zeugen. Wie Schulze eindrucksvoll darlegte, ist die Biografie als Darstellungsform besonders geeignet, die verstörend komplexe Lebensgeschichte von Mitorganisator*innen im System der NS-Zwangsarbeit zwischen 1941-1945 greifbar zu machen.