Toleranz wird gemeinhin als typisch „europäischer“ Wert betrachtet. Doch was bedeutet Toleranz genau und in welchem Verhältnis steht diese Tugend zu anderen Haltungen und Werten? Möglicherweise ist Toleranz, wie Thomas Paine in seiner revolutionären Kampfschrift Rights of Man (1791) bemerkte, ungefähr dasselbe wie Intoleranz, weil sie nichts an der Verteilung der Macht zwischen den verschiedenen tolerierten und toleranten Gruppen der Gesellschaft ändert. Diese und andere Beispiele der Toleranzkritik waren Gegenstand einer angeregten Diskussion am Goethe-Institut Schweden, das am 30. September in Stockholm stattfand. Volker Heins, Permanent Fellow am KWI, hielt einen kritischen Vortrag über Karl Poppers Idee eines „Rechts, die Intoleranten nicht zu tolerieren“. Im Anschluss daran gab es ein Zwiegespräch zwischen dem Gastredner und Patricia Mindus, Professorin für praktische Philosophie an der Universität Uppsala. Debattiert wurden muslimische Kleiderordnungen, die rituelle Knabenbeschneidung im Judentum und im Islam sowie Hass im Internet als Gegenstandsfelder moderner Toleranzpraktiken und ihrer Grenzen. Einig war man sich darin, dass die Diskussion um Toleranz und Intoleranz viel zu eng geführt wird und den Blick auf andere demokratische Interaktionsideale verstellt.
(Text: Volker Heins; Bild: © Goethe Institut Schweden)