Pferdemädchen: Anja Schwanhäußer und Jenny Friedrich-Freksa im Gespräch

Am 8. Oktober 2020 diskutierten die Kulturanthropologin Anja Schwanhäußer und Jenny Friedrich-Freksa, Chefredakteurin der Zeitschrift Kulturaustausch (Berlin), über ‚Das Phänomen „Pferdemädchen“- Zwischen Klischees und Jugendkultur‘; es moderierte die KWI-Direktorin Julika Griem. Der Abend war eine gemeinsame Veranstaltung der Zeche Hannover in Bochum und dem KWI als Teil des Veranstaltungsprogramms des Arbeitskreises „Mensch und Tier im Revier“, an dem das KWI und Museen des Ruhrgebiets beteiligt sind.

Pferdemädchen sind bis heute vor allem Teil einer abgewerteten Populär- und Konsumkultur und werden nicht als eigene Jugendsubkultur wahrgenommen. Es ist jedoch ein Trend zu erkennen, der einen neuen Blick auf diese Form der oft klischeehaft gedeuteten Mensch-Tier-Beziehung wirft. Pferdemädchen finden zunehmend Aufmerksamkeit in der Hochkultur: „A little girls’s horse craze“1 ist in der Kulturgeschichte angekommen. So beschäftigt sich die Göttinger Kulturanthropologin Anja Schwanhäußer in Ihrem DFG-Projekt „Pferdemädchen“: Struktur und Sinnlichkeit einer jugendkulturellen Figur mit der Figur des Pferdemädchens als Teil der Jugendkultur und untersucht das konventionell weibliche Stereotyp des pferdeverrückten Teenagers. Von ihren Feldforschungen auf dem Soziotop Reiterhof konnte Anja Schwanhäußer berichten, dass dort Rangordnungen und soziale Zuschreibungen erkennbar wären, die sich u.a. aus der lokalen Zugehörigkeit ergeben würden. Damit stelle sich die Frage, ob ein Reiterhof ein Sinnbild für die Frage nach dem sozialen Miteinander, sozialer Verantwortung und sich wandelnder Geschlechterbeziehungen sei.

Jenny Friedrich-Freksa, Autorin des Buchs „Pferde“, hinterfragte hingegen die Faszination, die Pferde auf Menschen ausüben und warum die früher männlich besetzte Reiterei heute vor allem weiblich konnotiert sei. Zugleich skizzierte sie die Fremdwahrnehmung von Pferdemädchen als eine Verniedlichung, die nicht die Realität des Reitsports widerspiegeln würde. Sie plädierte für ein Nachdenken über die kostbare Beziehung zwischen Mensch und Tier, wie es im Horsemanship seit einigen Jahren praktiziert würde.

Aus der Presse: Ende des Jahres erscheint bei WDR 5 Scala ein Schwerpunkt zu „Pferdemädchen“ unter Mitwirkung von Anja Schwanhäußer, Jenny-Friedrich Freska sowie der Kuratorin Jana Golombek (LWL).

Text: Britta Weber


1. Freud, Anna, Normality and Pathology in Childhood: Assessments of Development, NY 1989, S.20