Am 6. Juni 2019 wurden die international renommierten Soziolog*innen Thomas Eberle (Universität St. Gallen) und Andrea Ploder (Universität Siegen/Berkeley) zu der von Sebastian Till Hartwig und Jo Reichertz (beide KWI) organisierten Veranstaltung „Ethnomethodologisch forschen“ geladen, um für die Forschungspraxis relevante Frage- und Problemstellungen der Ethnomethodologie und deren Stellung innerhalb der qualitativen Sozialforschung zu diskutieren.
Jo Reichertz, KWI-Fellow und Leiter des Forschungsbereichs „Kommunikationskultur“, eröffnete die Tagung mit einem Überblick über die Entwicklungsgeschichte der Ethnomethodologie, um daran anknüpfend die Forschungsfelder der beiden Gäste vorzustellen, die sich auf internationaler Ebene in je unterschiedlicher Weise mit der Praxis und Geschichte ethnomethodologischer Forschung auseinandersetzen.
Im ersten Vortrag der Tagung behandelte Thomas Eberle unter dem Titel „Stärken und Schwächen der ethnomethodologischen Forschungsstrategie“ die verschiedenen Entwicklungsrichtungen der Ethnomethodologie und nahm diese im Kontext ihrer Verlaufsgeschichte kritisch in den Blick. Durch die Kontrastierung unterschiedlicher Paradigmen und Lager argumentierte Eberle, dass die Ethnomethodologie das Herausarbeiten des Spezifischen von Situationen und Verläufen sozialer Interaktionen leisten kann, sofern sich deren Analyse auf empirisch zutreffende Daten natürlicher Situationen stützen.
In dem zweiten Teil der Tagung thematisierte Andrea Ploder in ihrem Vortrag „Breaching im Werk Harold Garfinkels“ den zentralen Stellenwert des – bisher vor allem im Zusammenhang mit Breaching Experiments (deutsch: Krisenexperimente) bekannten – Breachings innerhalb der Ethnomethodologie und hier insbesondere innerhalb des Gesamtwerks Garfinkels. Dazu bot Ploder intensive Einblicke in ihre Forschungsarbeiten rund um das Harold Garfinkel Archive (Newburyport, USA) und zeigte am Beispiel verschiedenen Datenmaterials – etwa an studentischen Übungen in den 1970er Jahren mit sogenannten inverting lenses – die Schlüsselrolle von Irritation in der Ethnomethodologie Garfinkels auf.
Im Anschluss an die Vorträge wurde mit den Gästen die praktische Umsetzbarkeit der durch die Ethnomethodologie gesetzten Forschungsansprüche diskutiert und auch mit spezifischem Blick auf das KWI-Projekt Kommunikation und Demenz hinterfragt.
(Text: Sebastian Till Hartwig)