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17.02.

Di / 20:00

300 und die „Festung Europa“. Mythische Tendenzen in der neurechten Popkultur

Ein Abend in der CineScience-Reihe "Gefährliche Schönheit"

Marcus Stiglegger, Professor für Filmwissenschaft

Filmstudio Glückauf, Rüttenscheider Str. 2, 45128 Essen

Der Vortrag beschäftigt sich mit weitergehenden Codierungsformen, mit denen die Identitäre Bewegung eine neurechte Symbolwelt geschaffen hat, die aus sehr spezifischen mythischen Quellen schöpft, die meist bereits populärkulturell gefiltert wurden, wie etwa der Kinofilm 300 von Zack Snyder. Aus dieser Popmythologie wurde ein radikales eurozentrisches oder selbstbenannt „ethnopluralistisches“ Narrativ gewonnen, das sich für ein größeres Publikum nur mit Kontextwissen erschließt. In medialen Beispielanalysen wird deutlich: die visuelle Ästhetik der Identitären Bewegung formiert sich in ihrer konsequent durchgestylten Bildsprache, die auf Professionalität, Klarheit und Emotionalisierung setzt – ganz ähnlich wie moderne Werbekampagnen oder Influencer-Marken. Die IB nutzt vorwiegend ästhetisch ansprechende, kontrastreiche Bilder. Ihre ästhetisierte Männlichkeit dient der Inszenierung von Stärke, Disziplin und Opferbereitschaft. Ihre Videos sind oft mit dramatischer Musik unterlegt, beinhalten Drohnenaufnahmen, Zeitlupen, moderne Typografie und Schwarz-Weiß-Ästhetik. Inhalte werden klar strukturiert, emotional erzählt und mit Pathos aufgeladen. Diese visuelle Codierung knüpft an etablierte und vertraute Muster an, um ideologische Inhalte zu verschleiern und einem größeren Publikum nahezubringen.

Prof. Dr. Marcus Stiglegger lehrt Film- und Medienkulturwissenschaft in Regensburg und Ludwigsburg. Nach einem Studium der Ethnologie, Film- und Theaterwissenschaft in Mainz und einer Dissertation zum Thema Geschichte, Film und Mythos (SadicoNazista. Geschichte – Film – Mythos, Hagen: Eisenhut 2014, 3. Auflage.) habilitierte er zum Thema Seduktionstheorie des Films (Ritual & Verführung, Berlin: Bertz + Fischer 2006). Seine Forschungsgebiete sind Autorentheorie, Genretheorie, Seduktionstheorie des Films und Erinnerungskultur. In seinem aktuellen Projekt „HoloFiction“ – arbeitet er an einem Buch- und Ausstellungsprojekt über filmische Inszenierungen des Holocaust. Außerdem ist er Mitverantwortlicher des Podcasts „Projektionen – Kinogespräche“.

Über die CineScience-Reihe „Gefährliche Schönheit“

Kaum ein Medium versteht es so wirkungsvoll, Macht zu inszenieren, Pathos zu erzeugen und Ideologie in verführerische Bilder zu kleiden wie der Film. Ob kathartische Schlachten, heroisch überhöhte Figuren oder dystopische Weltentwürfe – die Leinwand ist voller Szenen, die ästhetisch überwältigen und das Publikum in ihren Bann ziehen können. Oft ist es gerade ihre „Schönheit“, die die Wucht der Botschaft in den Hintergrund rückt oder sogar vergessen lässt; als „faszinierend“ charakterisierte etwa Susan Sontag die Bildsprache, in die Leni Riefenstahl den Faschismus kleidete. Unter dem Titel „Gefährliche Schönheit“ widmet sich CineScience im Wintersemester 2025/26 dieser sinistren Vereinnahmungskunst. Gezeigt werden Filme, die politische Mythen produzieren, Monumente errichten und in stilisierten Dystopien autoritäres Denken spiegeln, aber auch solche, die subtilere Formen der Propaganda betreiben. Das Spektrum reicht von vermeintlich harmloser Unterhaltung über (post-)sowjetische Kriegsverherrlichung bis hin zu martialischen Blockbuster-Filmen.