28.09.

Mi / 14:15 – 17:00

KWI on Tour: Humanisierung der sozialen Welt: Ferdinand Tönnies als Soziologe und Ethiker

Im Rahmen des 41. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie

Alexander Wierzock, KWI

Universität Bielefeld, X-E1-202

Soziologie und Humanismus weisen vielfache Berührungspunkte auf. Die Perspektive auf das praktische Verhalten von Mensch zu Mensch, die ‚Mitte‘ und ‚Maß‘ des Humanismus bildet, schlägt eine Brücke zur Soziologie, die nach den Wechselwirkungen der Menschen zueinander und ihren Resultaten fragt. Diese Kontaktzonen zwischen Soziologie und Humanismus waren bereits dem soziologischen Klassiker Ferdinand Tönnies (1855–1936) präsent. Allerdings beobachtete Tönnies diese Verbindungsachse nicht nur – er verkörperte sie: Von anderen als „bürgerlicher Moralapostel“ oder „socialistisch-ideologischer Weltverbesserer“ tituliert, strebte er nach einer menschlicheren Gesellschaft jenseits kapitalistischer Ordnungen. Tönnies blickte als Ethiker und Soziologe in die gleiche Zukunft. Die Konjunktion ‚und‘ bezweckt hier keine bloße Aufzählung. Das Bindewort verweist im Falle von Tönnies, der die Soziologie in letzter Instanz als Transformations- und Interventionswissenschaft begriff, vielmehr auf einen zentralen Ideenkomplex seiner Person und seines Werkes. Sein Streben nach einer Humanisierung des sozialen Lebens machte Tönnies zu einem Vertreter eines praktischen Humanismus. Symbolisch dafür steht sein Engagement in der im Jahr 1892 von ihm mitbegründeten Deutschen Gesellschaft für Ethische Kultur, die sich somit als ein frühes Entstehungsmilieu der noch nicht institutionalisierten Soziologie begreifen lässt. Diesem Amalgam aus Soziologie und Humanismus, das Tönnies als Gründungsfigur der soziologischen Disziplin personifiziert, nähert sich der hier angezeigte Vortrag an.