2015 ist die Novelle „Grimsey“ von Ulrich Schacht erschienen, die bereits im Titel als „Eine Novelle“ ausgewiesen wird. Der Erzähler unternimmt eine Tagesexkursion auf die zu Island gehörende titelgebende Insel Grimsey. Die ästhetische Raumwahrnehmung ist unmittelbar an das schrittweise Erkunden gebunden: Mit einer an Michel de Certeaus Ansatz geschulten Raumpraxeologie gesprochen, organisiert hier eine Erzählung verschiedene Inselorte und verbindet sie im Rahmen einer textuell-topographischen Figuration zu erzählten Räumen. Gerahmt wird die Novelle durch das topographisch virulente Moment der Reise: der Ankunft via Flugzeug und Abreise via Boot. Diese breit erzählte Rahmensituation liest sich u.a. als impliziter Rekurs auf Sarah Kirsch („Islandhoch“). Wie Kirsch die Inselerfahrung durch ein intermediales Zusammenfügen von Text und Aquarellen ins Werk setzt, installiert Schacht mit seinem Protagonisten einen fiktiven Fotografen, der das Medium Bild in die Diegese selbst rückt. Neben Fragen des Erzählens/Gehens als topographierendes Raum-Durchqueren und der intertextuellen/intermedialen Erweiterungen stellt sich die Frage nach dem Konnex zwischen dem spezifischen kleinen erzählten Raum und der Gattung der Novelle als kleiner Textform.
15.09.
Fr / 10:00
„sehr klein, vom Polarkreis durchzogen“. Eine Insel ergehen, Islandhoch, Grimsey
Im Rahmen der Tagung "Räume als Gattungscodes? Die deutschsprachige Novelle im ‚Topographical Turn‘"
Laura Reiling (KWI)
Online (Zoom)