Hanna Engelmeier hält den Vortrag im Rahmen der Vorlesung „Deutsche Literatur von 1945-1989“ an der Ruhr-Universität Bochum.
Abstract:
Seit 2004 veröffentlichte Gerhard Henschel sieben Teile seiner autobiographischen Martin-Schlosser-Romanreihe, in denen das Publikum bislang vor allem Martins Kindheit, Jugend und den Weg ins Schriftstellerleben verfolgen konnte. Martin Schlosser wächst in geordneten bürgerlichen Verhältnissen in der BRD auf, von denen er in großer Ausführlichkeit berichtet. Alltagsbeschreibung, Nacherzählung von Zeitgeschehen oder Fußballmatches, Bildungserlebnisse und Pennälerromanzen wechseln einander ab.
Bücher von Walter Kempowski kommen in zum ersten Mal im dritten Teil der Serie vor, dem Liebesroman. Martin liest einen Vorabdruck von Aus großer Zeit im Stern: „Na, das war ja nun wohl nicht so ganz das Richtige für Leser unter hundert. Von Konsuln und Geheimräten wollte ich jedenfalls nix wissen.“ Mit der Zeit ändert sich das. Martin wird zum Kempowski-Fan und nimmt unter anderem an Kempowskis Literaturseminaren in Kreienhoop teil.
Der Vortrag beschäftigt sich mit der Kempowski-Rezeption von Martin Schlosser. Ich möchte die Frage stellen, welche Möglichkeiten und Grenzen die Bezeichnung dieser Rezeption als „fiktional“ hat, und ziehe dazu andere Beispiele aus der Kempowski-Rezeption heran. Es wird dabei auch darum gehen, die Kempowski-Lektüre von Schlosser/Henschel als einen typischen BRD-Moment zu beschreiben und darüber nachzudenken, was in diesem Moment von heute aus sichtbar wird, und welche Folgen dies für das Verständnis des „heute“ hat.
(Text: Hanna Engelmeier)