Kooperation und Arbeitsteilung. Das sind Hauptcharakteristika der Kunstwelt in Howard S. Beckers Art Worlds. Ohne “support personnel”, ohne Agent*innen und Lektor*innen, ohne Assistierende verschiedenster Art, aber auch ohne Rezipierende sind kulturelle Produkte nicht möglich, so die Kunstsoziologie. Dieses Zusammenspiel kann man begrifflich unterschiedlich fassen, Kooperation, Ko-Kreation und Kollaboration sind nur drei Termini, die ergänzt werden können, etwa durch Kollektivhandeln oder Partizipation. Auf unterschiedliche Weise hinterfragen diese Begriffe traditionelle Vorstellungen von individueller Produktion und Rezeption. Aber wie sind sie konkret vorstellbar, solche geteilten Produktions-zusammenhänge? Welches Wissen und Können bringen sie hervor? Welche Implikationen lassen sich für die entstehenden Werke, für die Bücher, Fotografien, Malereien, Bauwerke, Filme, musikalischen Arbeiten und Theaterstücke beobachten – und wie lassen sich diese adäquat beschreiben? Diese Fragen stehen im Mittelpunkt einer zweiteiligen Veranstaltungsreihe am KWI, die das Augenmerk darauf richtet, wie Formen der Zusammenarbeit, der Mit- und Zuarbeit, der Kooperation und Ko-Kreation in den verschiedenen Künsten praktiziert, semantisiert und narrativiert, wie sie transparent gemacht oder verschleiert werden – und welchen Umgang die jeweiligen Disziplinen hiermit finden.
In Zusammenarbeit mit der Alexander von Humboldt-Stiftung findet nun der zweite öffentliche Workshop statt, der der Vorbereitung eines gemeinsamen Publikationsprojekts zum genannten Thema dient. Der Austausch zwischen Literatur- und Kunstwissenschaftler*innen, zwischen Film-, Theater- und Musikwissenschaftler*innen zielt darauf, das ästhetische und epistemologische Potential der genannten Kategorien und Verfahren epochenübergreifend in den Blick zu nehmen.
Der erste Workshop, bei dem es um den Austausch zu theoretischen Grundlagen ging, fand im Oktober 2020 am KWI statt. Der für den 21./22. Mai geplante zweite Workshop dient der Präsentation und Diskussion der zu erarbeitenden Fallstudien. Die Ergebnisse der Zusammenarbeit werden in einem von den drei Veranstalterinnen herausgegebenen Themenheft des Journals of Literary Theory 2022 erscheinen.
Programm (Kurzfassung)
Freitag, 21. Mai
9.30 Uhr – Einführung, Ines Barner (KWI), Anja Schürmann (KWI) und Kathrin Yacavone (Köln)
10.00 Uhr – Daniel Ehrmann (Wien): Nichtstun, Schreiben, Ausschneiden. Grenzwerte der Zusammenarbeit
10.35 Uhr – Erika Thomalla (Berlin): Ich und mein Dämon. Bettine von Arnim als Herausgeberin
11.10 Uhr – Kaffeepause
11.40 Uhr – Pablo Schneider (Deutscher Kunstverlag Berlin/Universität Trier): Der Körper des Königs, der Staat und die Idee einer kollektiven Produktion. Die Künste im Kontext der Herrschaftsrepräsentation zu Zeiten Ludwigs XIV
12.15 Uhr – Stephanie Herold (Bamberg) und Sophie Stackmann (Bamberg): Die „Zitronenpresse“ in Gera als Objekt kollektiver Gestaltung und Intervention
12.50 Uhr – Mittagspause
14.00 Uhr – Alexander Weinstock (Hamburg): Das umgeschriebene Genie. Über Friedrich Ludwig Schröders Shakespeare-Adaptionen
14.35 Uhr – Fadrina Arpagaus (Schauspielhaus Zürich), Jochen Kiefer (Zürcher Hochschule der Künste) und Thomas Schmidt (Frankfurt): Vom Einzelintendant zu kollaborativer institutioneller Autor*innenschaft: Zur Neugestaltung von Produktionszusammenhängen im Theater
15.10 Uhr – Kaffeepause
15.40 Uhr – Rachel Mader (Luzern): Konstellationen des Kollektiven: Selbstverständnis, Kategorisierungen und der Zeitgeist
16.15 Uhr – Simone Heilgendorff (Berlin): Zur Entwicklung des Ensembles für zeitgenössische (Kunst-)Musik „Klangforum Wien“, eine Innenperspektive
Samstag, 22. Mai
10.00 Uhr – Werner Kamp (Köln): Filmproduktion und Autorschaft
10.35 Uhr – Christine Fischer (Luzern): Inszenierung geteilter Autorschaften – Pauline Viardots Rollenporträts als Orphée (Disdéri, 1859)
11.10 Uhr – Kaffeepause
11.40 Uhr – Sophia Ebert (Mainz): Erzählverfahren im Kollektivroman
12.15 Uhr – Abschlussdiskussion
Die Langfassung des Programms inklusive Abstracts der Vorträge, finden Sie hier.