Künstliche Kälte hat die Welt grundlegend verändert. Insbesondere im Globalen Norden sind seit Beginn des Kalten Krieges Technologien des Kühlens und Gefrierens für eine Vielzahl von Alltagspraktiken unverzichtbar geworden – von Ernährung und Gesundheit bis hin zu Wohnen, Telekommunikation, Handel und Produktion. Im Zuge dessen hat sich ein globales System von Kühllagern, Kühlketten und klimatisierten Räumen etabliert, das längst zu einer energieintensiven, aber kaum beachteten planetaren Infrastruktur avanciert ist: einer „künstlichen Kryosphäre“. Obwohl Kühltechnologien das Leben auf biologischer wie sozialer Ebene tiefgreifend prägen, sind die weitreichenden Auswirkungen dieser Technologie noch weitgehend unerforscht. Jüngste Studien gehen davon aus, dass sich der weltweite Kältebedarf bis 2050 verfünffachen wird – was unser zukünftiges Energiebudget dramatisch übersteigt.
Die drohende globale Kältekrise abzuwenden, erfordert ein tiefes Verständnis davon, wie die planetarische Infrastruktur der künstlichen Kälte mit kulturellen Praktiken und Werten verwoben ist. Um diese lokalen und historisch diversen „kryogenen Kulturen“ in den Blick zu rücken, führen wir vier interdisziplinäre Fallstudien in den Bereichen Ernährung, Klimatisierung, Biomedizin und Computertechnik durch. Dafür entwickeln wir innovative methodische Ansätze aus der Technikgeschichte, der Kulturgeographie, der digitalen Begriffsgeschichte sowie der Philosophie und Ethik. Im Projekt entsteht eine erste geografische Kartierung der Kryosphäre, eine historische Rekonstruktion ihrer Entstehung, ethnographische Studien ihrer kulturellen Praktiken sowie eine philosophische Analyse der ihr zugrunde liegenden Normen und Werte.
Mehr Informationen: www.cryocultures.org / Mastodon