Die geschichtswissenschaftlichen Forschungsvorhaben am KWI interessieren sich für Verschränkungen zwischen Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sowie das Selbstverständnis historischer Akteur:innen. Wir möchten wissen, was geschehen muss, damit in diesen Konstellationen Phänomene entstehen, die in der Lage sind, die Schwelle zur historischen Bedeutung zu überschreiten.
Um nachzuzeichnen, wie Ideen in Aktion treten, genügt das Instrumentarium der Ideen- und Wissensgeschichte allein genauso wenig wie der alleinige Fokus auf gesellschaftliche, kulturelle und wirtschaftliche Institutionen. Nur im Zusammenspiel lässt sich ergründen, was geschieht, wenn Intellektuelle das diplomatische Parkett betreten, Naturwissenschaftler:innen ihr Knowhow ökonomisch verwerten oder Journalist:innen den Regierenden zuarbeiten. Unsere Arbeit ist dabei von der Einsicht getragen, dass Geschichte immer „gemacht“ wird, also Ergebnis der Herstellung und erkämpften Geltung von historischem Wissen ist. Dies ist auch als Aufruf zur Selbstreflexion zu verstehen. Die Historiker:innen am KWI durchleuchten so stets auch die Machart der Geschichtsschreibung, ihre Arbeitsweisen und Debatten sowie die Kämpfe um Deutungshoheit.
Ein weiterer Aspekt historischer Bedeutsamkeit wird ebenfalls am KWI unter die Lupe genommen: ihr tatsächlicher oder vermeintlicher Niedergang. Diagnosen vom Ende der Politik oder der Ideologie machten vor allem in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts von sich reden. Ausgangspunkt des von Tim Schanetzky geleiteten Heisenberg-Projekts „Krise der Kritik?“ ist die Beobachtung, dass zu Beginn der 1970er Jahre kapitalismuskritische Positionen in gesellschaftlichen Debatten ebenso dominierten wie in den Geisteswissenschaften. Danach setzte eine allmähliche Erosion entsprechender Ideen ein, denen das Projekt als einer möglichen Vorbedingung für das neoliberale Zeitalter nachgeht.
Schließlich speisen sich Einwände gegen den „Machbarkeitswahn“ aus dem wachsenden Bewusstsein, dass Teile der Menschheit weit über ihre Ressourcen leben. Im Rahmen des ERC Synergy Grant-Projekts „The Cultures of the Cryosphere“ erhellt ein internationales Forscher:innenteam um Stefan Höhne eine wesentliche, bislang vernachlässigte zeithistorische Facette dieses Problems: Kühltechnologien, die für die moderne Weltwirtschaft unabdinglich sind. Als massive Emissionsquelle befeuern Kühlapparaturen genau die Erderwärmungsprozesse, die den verstärkten Einsatz künstlicher Kälte nötig machen. Aber ist ein ressourcenschonender cool conduct der Menschheit überhaupt vorstellbar?
Diese Fragen sind am KWI nicht nur Forschungsgegenstand, sondern auch Einladung zur kritischen Auseinandersetzung mit Geschichte in ihrer Gegenwart.
Aktuelles
Gespräch über die Politik der politischen Bildung
Die Geschichte der politischen Bildung in Deutschland, aktuelle Konflikte, Probleme und Perspektiven in diesem Feld waren Thema eines Gesprächs zwischen Jens-Christian Wagner, dem Leiter der Gedenkstätte Buchenwald, Tim Schanetzky und Hanna Engelmeier am 19.11.25. Das „Wechselspiel aus Wirkungshoffnung und Praxisenttäuschung“ wurde eindrücklich greifbar, als Jens-Christian Wagner von Anfeindungen und einer zunehmenden Abwehrhaltung jugendlicher Besuchergruppen berichtete […]
Debatte zu Bioethik & Biopolitik
Unter dem Titel Die Moral von der Geschicht‘? Über Biopolitik, Bioethik und den Wert des Lebens in Deutschland waren am 04. November 2025 die Philosophin Petra Gehring (Darmstadt) und die Historikerin Dagmar Herzog (New York) zu Gast im Gartensaal des KWI. Anlässlich Gehrings jüngst erschienener Studie Biegsame Expertise. Geschichte der Bioethik in Deutschland 1970-2010 (2025) […]
Große Medienresonanz zu „Kritik der transatlantischen Vernunft“
Die internationale Konferenz „Kritik der transatlantischen Vernunft“, die vom 30. Oktober bis zum 1. November 2025 in Berlin stattfand, erzielte eine große Medienresonanz. Bereits vorab erschien im Spiegel (Paywall) ein Gespräch mit dem Politologen Jan-Werner Müller und dem Historiker Phillip Felsch, die die Konferenz gemeinsam mit David Höhn und Danilo Scholz (KWI) organisiert hatten. Im […]
Kapitalismuskritik: Studierende erarbeiten Glossar
Kapitalismuskritik hat Konjunktur, und das längst nicht nur im Wahlkampf oder an den Rändern des politischen Spektrums – das zeigen schon die Debatten über Klimaschutz, De-Growth oder Konsumverzicht. In einem Geschichts-Seminar des KWI-Historikers Tim Schanetzky erarbeiteten Studierende jetzt historische Perspektiven der Kapitalismuskritik. Anders als in gewöhnlichen Universitätsseminaren zielte das Lehrforschungsprojekt nicht auf Hausarbeiten, die üblicherweise […]
Historiker Maik Tändler über seine Forschung zu Armin Mohler
Am 29.4. 2025 war der Historiker Maik Tändler vom Münchner Institut für Zeitgeschichte zu Gast am KWI, um erstmals vor Publikum über sein Forschungsprojekt zu Armin Mohler und der Carl Friedrich von Siemens Stiftung zu sprechen. Tändler ist ein profunder Kenner der Neuen Rechten in der BRD und untersucht anhand von Unterlagen des Stiftungsarchivs, in […]
Bronwyn Parry on the History and Future of Artifical Cold
How has artificial cooling shaped the world we live in? The ERC-funded research project “Cultures of the Cryosphere” sets out to explore the profound impact of these technologies on modern societies. From January 6th to 8th, the research group held their inaugural workshop at KWI, bringing together guests and researchers. On January 7, 2025, Prof. […]