Promotionsprojekt: OppositionserfahrungenWohnungspolitik und sozialdemokratische Erneuerung in Deutschland und Großbritannien, 1979-1998

In ihrer Oppositionszeit von 1979/82 bis 1997/98 haben sich die britische und die deutsche Sozialdemokratie grundlegend gewandelt. Konnten die Labour Party und die SPD anfangs noch als potenziell mächtigste Gegnerinnen einer neoliberalen Ideenwelt gelten, hatten sich die Parteien bis zu ihrer Rückkehr in die Regierungsverantwortung in den späten 1990er Jahren für die Ideen von Deregulierung, Privatisierung und Vermarktlichung geöffnet. Bis heute ist diese „Erneuerung“ stark umstritten, wird entweder als alternativlose Anpassung an Strukturwandel und Globalisierung dargestellt oder als identitätsgefährdender Irrweg und eigentlicher Beginn des Niedergangs der Sozialdemokratie gebrandmarkt. Während diese Diagnosen vom Ende her gestellt werden, kehrt das Promotionsprojekt die Blickrichtung um: Warum und wie begannen Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sich für neoliberale Politikkonzepte zu öffnen? Welche prägenden Erfahrungen ermöglichten diese Hinwendung? In welchen konkreten Entscheidungssituationen und Akteurskonstellationen entwickelten Deregulierung, Privatisierung oder Vermarktlichung ihre Überzeugungskraft für sozialdemokratische Politikerinnen und Politiker?

Beantwortet werden diese Fragen, indem ein klar abgrenzbares Politikfeld im Mittelpunkt der Untersuchung steht: die Wohnungspolitik. Dabei handelt es sich um einen typischen Fall traditioneller Sozialstaatspolitik mit Wurzeln bis in die Zwischenkriegszeit. Gegen genau diese Politik aus öffentlichem (oder öffentlich gefördertem) Wohnungsbau, partieller Wohnraumbewirtschaftung und ausgebautem Mieterschutz traten die Regierungen Kohl und Thatcher/Major ausdrücklich an. Gerade deshalb lassen sich die Oppositionserfahrungen und der tatsächliche Umgang von Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen mit den neoliberalen Ideen und ihrer politischen Praxis paradigmatisch mit Blick auf die Wohnungspolitik rekonstruieren. Die Vergleichsperspektive zwischen Deutschland und Großbritannien zielt nicht nur auf das kontrastive Herauspräparieren von Gemeinsamkeiten und Unterschieden der Entwicklung, sondern fragt auch nach den wechselseitigen Wahrnehmungen und Transfers, die in der zeitgenössischen Selbstbeschreibung von „New Labour“ und „Der neuen Mitte“ besonders betont wurden.