Heisenberg-Projekt: Kritik in der Krise?Kapitalismus, Neoliberalismus und Demokratie „nach dem Boom“

Die Zeit „nach dem Boom“ wird von einer Neuordnung des Verhältnisses zwischen Markt und Staat sowie von Kapitalismus und Demokratie charakterisiert. Ganz gleich, ob man diesen Wandel als Durchsetzung einer „zweiten Moderne“ oder eines neuartigen „Kulturkapitalismus“ beschreibt – immer steht die Ideenwelt des Neoliberalismus im Mittelpunkt. Deren Anziehungskraft ist noch nicht hinreichend erklärt, indem man allein auf ihre Verfechter und Lobbyisten blickt oder auf die zeitgenössische Plausibilität als Problemlösung. Ausgangspunkt des Forschungsprogramms ist vielmehr die Annahme, dass auch die potentiellen Gegner des Neoliberalismus zu betrachten sind. Ihre relative Schwäche ist erklärungsbedürftig.

Das Projekt untersucht eine Krise der Kapitalismuskritik in den 1980er und 1990er Jahren: Struktur-, Macht- und Verteilungsfragen, so die Annahme, wurden von Themen wie Menschenrechte, Verbraucher- und Umweltschutz abgelöst; Anerkennungsprobleme und identitätspolitische Fragen gewannen an Gewicht, während (neo-)marxistische Kritik unter einem erodierenden wissenschaftlichen Fundament litt. Begleitet wurde dies von einem Aufstieg der Neuen Sozialen Bewegungen. Der politische Umbruch von 1989/90 verstärkte diese Prozesse: Der Westen beschrieb sich nun als Sieger eines Systemwettstreits, und auch auf der Linken sah man ein Zeitalter ohne Utopie heraufziehen. Diese Epoche endete erst mit dem Erstarken der globalisierungskritischen Bewegung am Ausgang der 1990er Jahre.

Zwei Vorhaben stehen im Zentrum des Heisenberg-Projekts:

a.) Aktionäre und Aktivisten: Hauptversammlungen als Bühne der Kritik

Multinationale Großunternehmen interessieren hier als Repräsentanten einer sich wandelnden kapitalistischen Ordnung. Entsprechend wird in diesem Projekt nach veränderten Formen der Konzernkritik und nach den Formaten der „Compliance Revolution“ gefragt. Es nimmt jene Aktivistinnen und Aktivisten in den Blick, die seit den 1970er Jahren die Hauptversammlungen systematisch zur Bühne der Kritik machten. Hier ist nicht nur nach Praktiken der Kritik zu fragen, sondern auch nach unternehmerischen Reaktionen, die sich bald zu professionalisieren begannen.

b.) Weimars Untergang, die Geschichtswissenschaft und der Kapitalismus

Unter dem Eindruck populistischer Wahlerfolge ist das Interesse an der Weimarer Republik und an der Fragilität der Demokratie neu erwacht. Dieses nimmt die auffällige Häufung fachwissenschaftlicher Kontroversen über den Kapitalismus von Weimar rund um die Wende zu den 1980er Jahren als Ausgangspunkt. Seine Hypothese: Auch die Geschichtsschreibung hat eine auf die zeitgenössische Gegenwart zielende Kapitalismuskritik betrieben. Den Gründen für ihre Erosion im Laufe der 1980er Jahre gilt es nachzuspüren.