Promotionsprojekt: Ausgezeichnete Demokratie?Der Adolf-Grimme-Preis und die Entpädagogisierung des Fernsehens, 1964-2000

Das Fernsehzeitalter begann mit großen Hoffnungen. Der Demokratisierung sollte das neue Leitmedium dienen, und nirgends spiegelte sich dieser Anspruch so sehr wie im Adolf-Grimme-Preis. Vom Deutschen Volkshochschul-Verband gestiftet und 1964 erstmals verliehen, zielten seine Qualitätskriterien immer auch auf die „Volkserziehung“. In den darauffolgenden Jahrzehnten wandelte sich das Fernsehen grundlegend: Sah der Präsident des Volkshochschulverbandes in ihm anfangs das „wichtigste Instrument politischer Bildung“, so galt es an der Jahrtausendwende nur noch als „Medium zerstreuter Privatheit“.

Das Promotionsprojekt fragt nach den Formen der demokratiepolitischen Indienstnahme des Fernsehens und nach ihren Veränderungen. Es widmet sich damit dem medial-gesellschaftlichen Wandel der Bundesrepublik, für dessen Erklärung sich der Adolf-Grimme-Preis besonders eignet: Seine Erforschung gibt Aufschluss über die Entwicklung, die der postnationalsozialistische Versuch einer Steuerung des Fernsehens und seiner Zuschauer nahm. Über den Preis lässt sich die Herauslösung des Massenmediums aus seiner Verklammerung mit diesem Elitenprojekt institutionengebunden rekonstruieren.

Erstmals werden die Praktiken des Adolf-Grimme-Preises und die an die Preisverleihung anschließende Kommunikation quellengestützt untersucht. Dabei gerät ein Netzwerk der pädagogisch fundierten Fernsehkritik in den Blick, das unter der Leitung Bert Donnepps entstand, des Direktors der Marler Volkshochschule „die insel“. Es erstreckte sich von der Erwachsenenbildung über Politik, Medien und Kirchen bis in die Universitäten. Wie veränderten sich die Ideen dieser Akteure, wie die Resonanz ihrer Fernsehkritik in der Öffentlichkeit und bei den Sendern? Das Spannungsverhältnis zwischen den Qualitätsansprüchen der Volkshochschulen und dem Programmangebot des Fernsehens macht den demokratiegeschichtlich zentralen Konflikt zwischen Akteuren und Adressaten politischer Bildung empirisch fassbar. Auch lässt sich entlang der Dynamik zwischen den demokratiepolitisch ambitionierten Kritikern des Fernsehprogramms und den Kritisierten die Bedeutung der privaten, als „bürgernah“ beworbenen Sender für die Demokratiebildung genauer bestimmen.