Bluesky butterfly logo LinkedIn logo ;

Gebundene Bilder: Der visuelle Plural im Fotobuch

Ein Bild kommt selten allein. Während dies im Internet, Film und Zeitschriften selbstverständlich scheint, tut sich die Kunstgeschichte mit dem Abschied von der Formel ein Werk = ein*e Autor*in schwer. Singularisierungsstrategien und Werkherrschaft bleiben dominierend – nicht nur im Kunstmarkt. Auch die Bildwissenschaft (etwa bei Gottfried Boehm) hat die Bildfülle oft eher als Anlass, denn als Gegenstand theoretischer Auseinandersetzung begriffen.

Das Fotobuch hingegen denkt das Bild im Plural und nimmt damit eine Entsingularisierung vor. Es integriert Kontexte und Paratexte, löst das einzelne Bild aus seiner Isoliertheit und generiert neue semantische Ordnungen. Als Medium aktiviert es kulturelle Techniken  sowohl des Buches als auch des Bildes.

Das Fotobuch ist ein Medium, das so alt ist wie die Fotografie selbst, aber als solches noch nicht eingehender theoretisch befragt wurde. Mein Projekt möchte beides leisten: Das Bild und das Buch als ikonische, aber auch erzählende Medien respektieren. Anders gesagt untersucht es den visuellen Plural in Fotobüchern sowohl auf phänomenologischer und epistemologischer, als auch auf ästhetischer Ebene der Ikonizität.

Ausgehend von Boehms programmatischem Titel „Wie Bilder Sinn erzeugen“ (2008) frage ich, wie fotografische Sequenzen im Buch strukturiert sind und Sinn generieren. Ich unterscheide fünf Ordnungen: Wiederholung, Vergleich, Affekt, Fiktion und Bewegung. Jedes Kapitel verbindet eine theoretische Reflexion mit konkreten Fallanalysen.

Damit wird das Projekt sowohl einen grundlegenden Forschungsbeitrag zum visuellen Plural als auch zum Genre des künstlerischen Fotobuchs der Gegenwart leisten und einen Graben ebnen, den Lessing ausgehoben hatte, als er zwischen der Literatur als Zeitkunst und der Malerei als Raumkunst unterschieden hatte.

Im Rahmen des Projekts fand am KWI ein Workshop statt, in dessen Anschluss 2021 das Themenheft “Weiterblättern! Neue Perspektiven der Fotobuchforschung” der Zeitschrift “Fotogeschichte” (Hg. von Anja Schürmann und Steffen Siegel) erschienen ist.

Außerdem gab das Projekt Anlass zu einigen KWI Veranstaltungen, wie dem Fotobuch-Quartett+ der Internationalen Photoszene Köln, das 2020 zu Gast im KWI war.

Ansprechpartnerin: Anja Schürmann