Kommunikation und DemenzEine qualitative Untersuchung zum Wirkungsverlust und zum Wiederaufbau von Kommunikationsmacht zwischen Menschen mit der Diagnose Demenz und ihren Bezugspersonen in der häuslichen Versorgung

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Jo Reichertz
Prof. em. Dr. Jo Reichertz
Carmen Birkholz
Dr. Phil. Carmen Birkholz
Sebastian Till Hartwig
Till Hartwig


ÜBER DAS PROJEKT

Die Diagnose „Demenz“ kann das Familiengefüge aus den Angeln heben. Die Versorgung, Betreuung und Begleitung von Menschen, bei denen Demenz diagnostiziert wurde, findet für 2/3 der Betroffenen überwiegend im häuslichen Setting statt. Dort stehen Angehörige wie Betroffene vor dem Problem, das ‚Miteinander-Sein‘ trotz der demenzbedingten Ausfallerscheinungen jeden Tag aufs Neue mittels kommunikativem Handeln gestalten und aufeinander abstimmen zu müssen. Die Lebensqualität der betroffenen Menschen und die der Betreuenden hängen entscheidend davon ab, ob und wie dieses Kommunikationsproblem gelöst werden kann.

Doch wie funktioniert Kommunikation, wenn die Ordnung des Alltags innerhalb der Familie nach einer Demenzdiagnose durcheinander gebracht wird? Wie kommt es zum Abbau von Kommunikationsmacht bei Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen und welche neuen Formen der Handlungsabstimmung entstehen stattdessen?


WIE VERÄNDERT DIE DIAGNOSE DEMENZ DIE KOMMUNIKATION?

Das Projekt will diese Lücke schließen, indem es den folgenden drei Fragen nachgeht, nämlich

a.) wie kommunikatives Handeln zwischen dementierenden und ihren nicht-dementierenden Angehörigen im häuslichen Setting im speziellen mit Blick auf die Wechselwirkungen praktisch stattfindet und warum, weshalb und mit welchen Konsequenzen kommunikatives Handeln es vermag, eine Koorientierung der Personen zu ermöglichen,
b.) ob mit der Demenzerkrankung auch der Verlust von Kommunikationsmacht sowohl für die Angehörigen als auch für die dementierenden Menschen einhergeht und – wenn ja – wie diese Kommunikationsmacht unter den Bedingungen der Demenzerkrankung aus alltagsstrategischer Perspektive ggf. wieder aufgebaut werden kann und wenn ja,
c.) welche sozialen Figurationsmuster aus den kommunikativ erwirkten Verhaltensabstimmungsprozessen als Grundlage für alltagsstrategische Kooperations- und Koordinierungsprozesse konkret hervorgehen.


TEILNEHMENDE BEOBACHTUNG ZUHAUSE

Diese drei Fragen sollen (a) mittels teilnehmender Beobachtung im Rahmen der häuslichen Begleitung, Betreuung und Versorgung von dementierenden Menschen durch ihre Angehörigen, (b) durch fokussierte Videographien ausgewählter Situationen sowie (c) durch die Erhebung von narrativen Interviews mit Bezugspersonen dementierender Menschen beantwortet werden. Ziel ist die Rekonstruktion der alltäglich zu lösenden Kommunikationsprobleme und die Beantwortung der Frage, wie es den beteiligten Interaktionspartner*innen im ‚Praxisfluss des Alltags‘ gelingt, gewachsene alltagsstrategische Kommunikationsroutinen im Zusammen-Sein mit ihren dementierenden Angehörigen im Verlauf der Krankheit umzubauen oder neu zu etablieren und diese, falls möglich, zu stabilisieren und – wenn nötig – diese situationssensitiv mit dem Krankheitsverlauf so zu transformieren, dass eine Handlungskoorientierung möglich wird.