Das Projekt „Das war’s. Praktiken und Ästhetiken des Aufhörens“ steht im Kontext der gesellschaftlichen sowie ästhetischen Problematiken des Schließens, des Aufhörens und des Beendens, die Teil der mannigfaltigen Krisen der letzten Jahre waren. Man denke an das ‚Ende‘ der Pandemie, des Kapitalismus und der Globalisierung sowie die zunehmende Erschöpfung natürlicher Ressourcen. Apokalyptische und katastrophische Szenarien, letzte Generationen sowie Formen der Ausrottung und des Aussterbens bestimmen nicht nur die gegenwärtige Lage, sondern durchziehen auch die öffentliche Debatte – nicht zuletzt, weil sich die Frage nach dem Aufhören mit Aspekten des Über- und Weiterlebens verbindet.
Das Projekt wählt einen Zugang, der sich dem Aufhören nicht ausschließlich themenbezogen, sondern stärker praxeologisch nähert. Es interessiert sich für das Aufhören als ein praktisches Problem. System- und differenzierungstheoretische Gesellschaftstheorien zeigen, dass sich in modernen Gesellschaften unterschiedliche zeitliche Ordnungen ausdifferenzieren, die sich nur schwer synchronisieren lassen: Das Ende des Einen ist der Anfang des Anderen. Alle Formen sozialen Handelns sind zudem in Routinen und Gewohnheiten eingelassen, die sich auch durch ihre Trägheit auszeichnen. Das Aufhören unterliegt überindividuellen Kriterien, institutionellen Rahmen, medialen Formaten und gesellschaftlichen Erwartungen. Dem Aufhören wohnt zudem eine poetologische Dimension inne. Schlussformeln sind konkret an verschiedene Ausprägungen künstlerischer Formbildung gekoppelt. Nicht zuletzt lenkt das Aufhören den Blick auf editionsphilologische Frage- und Problemkonstellationen. Neben solche ästhetischen Problematiken des Endes rücken Praktiken des Aufhörens und Abschließens in unterschiedlichen sozialen Feldern und Kontexten in den Blick, man denke z.B. an Canceln und Ghosting, die Schwierigkeiten des Rücktritts oder Beendens einer Karriere, eines eingefahrenen Konflikts oder lebensverlängernder medizinischer Behandlungen, an Abschiedsrituale, Abschlussformeln sowie Verfahren und Kulturtechniken des Aufhörens. Das Nachdenken über das Aufhören verbindet sich mit einer Reihe von Rhetoriken und Diskurspraktiken, die nicht nur einen demonstrativen Charakter haben. Gerade in Bezug auf das wissenschaftliche Argumentieren zeigt sich, dass die Frage nach dem Aufhören die textuelle Verfasstheit der Gedanken selbst tangiert.
Im Rahmen des Projekts findet im März 2025 am KWI ein Workshop statt. In den Vorträgen geht es um 1) Aufhören in Organisationen: Abschiede und Rücktritte, 2) Aufhören und (Neu)Anfang: kollektive und individuelle Transformationen, 3) aufgeschobene Enden: Suspendieren, Vorläufigkeit und Vertagung und 4) Medien/Kulturtechniken des Aufhörens: Medien, Materialitäten und Verfahren.
Im Anschluss an den Workshop erscheint 2026 ein Sammelband im Verlag transcript.
Von Januar bis März 2025 erscheint auf dem KWI-Blog die Blogreihe „Letzte Sätze“. Sie diskutiert anhand von dreizehn Fallbeispielen der Musik-, Theater-, Film-, Kunst-, Theorie- und Literaturgeschichte sowie der literarischen Praxis, was letzte Sätze leisten und wie sie sich lesen lassen. Die letzten Sätze erfüllen nicht einfach nur die Funktion, dass ein Text/Stück/Film beendet werden muss, sondern deuten mögliche Fortsetzungen an, stellen das Vorherige infrage, spitzen es (überraschend) zu, lassen die Rezipierenden mitunter ratlos zurück und haben dadurch einen besonders starken Einfluss auf Affektkulturen der Rezeption.