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Kulturen. Krisen. Klassiker.Editionsprojekt Lars Clausen

„Mit dem Eintritt der Katastrophen verändern […] sich die mit Anstrengung vordem gebremsten sozialen Routinen“. Mit diesem Zitat aus dem Buch Krasser sozialer Wandel (1994) formulierte der Soziologe Lars Clausen (1935-2010) zwei zentrale Forschungsschwerpunkte seines Werkes: die Untersuchung von Katastrophen und ihre sozialen Dynamiken. Clausens Arbeiten, die über hundert Publikationen zählen, zeichnen sich durch ihre multidimensionalen Analysen, Einblicke in die gesellschaftlichen Herausforderungen der Gegenwart und einen spezifisch humanistischen Geist aus. Inhaltlich entzieht sich das Werk dieses Gesellschaftsanalytikers einfachen Kategorisierungen, da er im Laufe seines Schaffens neben identifizierbaren Forschungsschwerpunkten auch unterschiedliche ‚Inselthemen‘ zu seinem Anliegen machte. Soziologien der gesellschaftlichen Transformation, Konsumkultur und Katastrophen kontrastieren mit editorischen Großprojekten zur sogenannten Klassikerforschung, hochschulpolitischen Interventionen sowie episodischen Ausflügen in die Literatursoziologie.

Diese komplexe Reichhaltigkeit des Clausen’schen Werkes wird das Projekt periodisieren, kartieren und thematisch auffächern. Die Veröffentlichung seiner Werke in einer editionswissenschaftlich betreuten Auswahl-Anthologie wird Clausens Arbeiten einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen. Seine Texte sind dabei sowohl für an die Soziologie angrenzende Disziplinen als auch für ein Nicht-Fachpublikum von Interesse. Angesichts gegenwärtiger multipler Krisen wie dem Klimawandel, globalen Migrationsbewegungen und weltweiten Kriegs- und Katastrophenlagen ist es von Relevanz, Clausens Forschungsarbeiten einer editionswissenschaftlich orientierten Tiefenerschließung zuzuführen. Zuletzt bietet dieses Editionsprojekt einen soziologiegeschichtlichen Mehrwert: Mit Clausen wird ein Akteur der zweiten Generation der bundesrepublikanischen Soziologie beleuchtet, welcher maßgeblich zur Konsolidierung und Professionalisierung des Faches beigetragen hat.

Im Jahr 1935 geboren, wurde dieser Sozialforscher in eine konservativ geprägte Bundesrepublik hinein sozialisiert. Nach dem humanistischen Gymnasium in Hamburg studierte er zunächst Betriebswirtschaftslehre, um schließlich 1963 in dem ,Modefach‘ Soziologie bei Helmut Schelsky zu promovieren. Nach Stationen in Münster, Bielefeld und Den Haag sowie Feldforschungen im 1964 unabhängig gewordenen Sambia wurde Clausen 1970 nach Kiel berufen. In der Folge verknüpfte sich sein Name eng mit der Christian-Albrechts-Universität, an welcher er sich über drei Jahrzehnte als Sozialforscher, Hochschullehrer und Wissenschaftsorganisator betätigte. In den späten 1980ern rief Clausen in der Fördestadt die anwendungsorientierte Katastrophenforschungsstelle (KFS) ins Leben, die heute ein integraler Bestandteil der Freien Universität Berlin ist. Vor dem Hintergrund dieser akademischen Karrierestationen leistet die geplante Auswahl-Edition am Beispiel Clausens einen Beitrag zur Disziplinentwicklung seit den 1960er Jahren und stellt somit der soziologiegeschichtlichen Grundlagenforschung neue Blickfelder auf diese Fachepoche bereit.